Juli 2012: Zoo Rapperswil

Neubau Rapperswiler Elefantengehege, Teil eins: Schade, doch eher Wunschdenken. Beziehungsweise das einer übermütigen Elefantenkuh. Denn der Neubau des Elefantenparks hat noch nicht wirklich begonnen. Rani scheint endlich mal die ganze Sache in ihre Hände… in ihren Rüssel nehmen zu wollen: Am späteren Nachmittag können wir gerade noch beobachten, wie sie den Abgrenzungszaun zu den Wasserschweinen demontiert. Der Zaun ist zwar noch mehrheitlich vorhanden, aber wer weiss, wie lange sie mit ihrem jungen starken Rüssel am obersten Brett zerrte, bis sich dieses mit einem unangenehmen Knacksen gelöst hat? Die beim Reiten beschäftigten Elefantenwärter bekommen Ranis Bemühungen kaum richtig mit. Und wenn schon: Es ist ja nicht viel passiert. Die Capybaras kümmert’s auch nicht. Wenn der Zaun tiefer ist, kann man den grossen Nachbarn vielleicht mal einen Besuch abstatten? Rani jedenfalls versucht, das Holz wie die meistens verfügbaren Aeste zu zerbeissen und mit dem Fuss zu brechen. Bei einer solch stabilen Brettbreite ist das aber gar nicht so einfach. Das Zertreten funktioniert nach mehreren Anläufen, das Zerbeissen wird nicht die gewünschte Geschmacksrichtung hervorgebracht haben. Also wird der kümmerliche Brettrest mit der vorstehenden speerartigen Spitze fürs Kratzen des bei Elefanten meist stattlichen Bäuchleins verwendet. Hauptsache, wieder was Neues ausprobiert. Nicht wahr, Rani?

„Einzäunung“ die Zweite: Sabu steht beim Haupttor ihres Geheges und rüttelt gelangweilt und doch konsequent am Torschloss. Unermüdlich probiert sie verschiedene Rüsselgriffe aus, kommt ihrem Ziel aber nicht näher. Eine Frau, der Sabus Bemühungen ebenfalls auffallen, meint: „Die will vielleicht raus?“ Klar, Sabus Freiheitsdrang ist weltbekannt! In den Augen der Besucherin scheint der Elefant schon ausgebrochen zu sein: Mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken bleibt ihr Blick an der nahen und doch so fernen (weil eingeschlossenen) Riesin kleben. Nach ein paar Minuten verliert diese das Interesse, die Beobachterin auch. Sabu wendet sich wieder ihren Gedanken und Tagträumen zu. Es dauert nicht lange, bis ein anderer Besucher auf die Elefanten aufmerksam wird: Indischer Typ, breiter, sehr muskulöser Oberkörper, sein Kind auf dem Arm. Verbotenerweise übersteigt er das Absperr-Seil und linst leicht verstohlen zum Tier und zu uns rüber. Dann: Mit einer schnellen Bewegung wirft er einen Gegenstand zu Sabu herüber. Kaum ist das Objekt mit einem klatschenden Geräusch bei deren Hinterbeinen gelandet, dreht sich die kräftige leicht erschrockene Dame blitzschnell um 180 Grad. Der Mann erschrickt ob dieses Energieausbruches selbst ein bisschen, lacht verlegen und stakst ein paar Schritte zurück. Der Elefant macht sich inzwischen erfreut über das gelbe, gekrümmte, süsse Wurfgeschoss her. Wenn der Mann das Schild „Bitte nicht füttern“ verstanden hätte, hätte er dann anders gehandelt?

Mehr zum Thema „Bitte nicht füttern“: Auf dem Publikums-Turm schwenkt ein Mädchen ihre geschlossene Popcorn-Tüte vor Siris interessiert hockblickenden Augen. Sie wolle Siri nicht füttern, lässt sie wissen, sondern nur den Rüssel des Elefanten berühren. Trotzdem provoziert sie Zurufe der vom Reitareal beobachtenden Wärter. Einerseits ist auf die Distanz nicht zu sehen, was sie genau beabsichtigt. Andererseits ist es natürlich gemein, mit Futter zu locken und dann nichts abzugeben. All das begreift der Teenager aber nicht und verteidigt sich zurückrufend. Wie wenn Siri ahnen würde, dass nichts zu holen ist, lässt sie sich nicht auf die Verlockung ein. Doch das fordert den Ehrgeiz der jungen Frau nur noch mehr heraus. Als wir einige Zeit später wieder am Turm vorbeikommen, ist sie wieder (oder immer noch?) bemüht, mit ihrer Hand an eines dieser faszinierenden Tiere ranzukommen. Tja, manchmal wollen sie eben freiwillig für nichts, manchmal eben nicht, auch nicht für Belohnung…

 „Bitte nicht füttern“ die Dritte: Sumatra steht im Reitareal, drei Meter von den Besuchern entfernt. Aus sicherer Distanz mustert sie die immer zahlreicher erscheinenden Bewunderer. Sie lässt sich weder durch ausgestreckte Arme noch durch Zurufe näher locken. Ein Vater, auch dieser mit auffallend muskelbepacktem, breitem Oberkörper, legt der Elefantin vier Popcorn auf den Zaun und schaut sie erwartungsvoll an. Sumatra reagiert umgehend, aber nicht ganz so, wie vermutet. Sie nähert sich dem Mann bis auf einen Meter und starrt zunächst ihn, dann mit leicht geneigtem Haupt das offerierte Kleinst-Menu an. „Papa! Hier steht: Bitte nicht füttern!“ ruft der etwas weiter weg stehende Sohn. „Ja?“, reagiert der Vater trocken und „Das müsste man aber besser anschreiben!“ Während er das sagt, deutet er nochmals auf die Popcorn. Sumatra hat aber keine Lust darauf und stellt bald wieder den ursprünglichen Abstand her. Enttäuscht wischt der Vater die weissen Bällchen weg. Der Sohn lässt es sich nicht nehmen, ihm das betreffende Schild trotzdem nochmals persönlich zu zeigen. Es gibt halt Kinder, die viel vernünftiger sind als ihre Eltern. Und es gibt Eltern, die an einem solchen Ort gerne wieder Kind wären und darum mehr oder weniger bewusst unvernünftige Dinge tun.

Etwas später, derselbe Ort, derselbe Elefant. Mich auf den Zaun stützend entdecke ich, dass einzelne der Umzäunungs-Pflöcke im oberen Teil wetterbedingt ausgehöhlt sind. In Gedanken versunken beginne ich, das sich dort eingenistete lockere Moos und die feinen Pflänzchen herauszuziehen. Sumatra scheint sich sehr für meine Tätigkeit zu interessieren: Langsam schreitet sie näher und mustert mich einen Moment lang mit ihren grossen, unheimlichen, tiefschwarzen Augen. Dann nimmt sie den Zaun ins Visier und beobachtet, wie ich fortfahre, Grünzeug aus dem Nichts zu ziehen. Ich wiederum beobachte Sumatra amüsiert und fühle mich wie der Zauberer mit dem Zylinderhut und den Hasen. Als nichts mehr rauskommt, schaut sie mich nochmals erhaben an, macht die paar Vorwärtsschritte wieder zurück und tut so, wie wenn nichts passiert wäre. Neugierig sind sie ja von Natur aus, die Elefanten. Aber sie wissen auch, dass sie gewisse „Gwunder-Grenzen“ nicht überschreiten sollten.

JULI 2012: Zoo Zürich / KNIE Zoo Luzern

Als wir nach einer längeren Pause wieder die Zürcher Elefanten besuchen, staunen wir nicht schlecht: Eine Horde Seidenhühner sitzt aufgereiht am Rand des Elefantenareals, der Hahn lässt sein durchdringendes Krähen erschallen. Die Hühnerhütte wurde im Trenngraben platziert. Ergänzen sich Elefanten und Hühner ideal oder bringen die Hühner einfach mehr Abwechslung für die immerneugierigen Elefanten? Vielleicht auch ein vorsorgliches Angewöhnen an die Verhältnisse im zukünftigen Elefantenpark? Klar ist, dass die Grossen immer wieder aufgeregt auf die Kleinen zugehen und diese mit einem demonstrativen Rüsselschlenker aufscheuchen: „Weg hier, das ist mein Platz!“

Die Hühner schalten dann auf Fluchtmodus, manchmal wild flatternd, beruhigen sich dann aber schnell wieder. Notfalls flieht man ins Areal von Elefantenbulle Max. Doch wehe, wenn der eines dieser originell frisierten Hühner an der Gurgel packt! Doch wie gesagt: Die Hühner scheinen’s gelassen zu nehmen, denn Fluchtmöglichkeiten sind durchaus vorhanden.

Apropos Flucht: Vor genau einem Jahr hat uns die KNIE-Artistin MaPalaj die schmale Grenze zwischen Flucht und Konfrontation vorgeführt:
Ein aufregender Tag im Leben von MaPalaj 
Auch bei unserem diesjährigen Besuch sorgt auf dem grosszügigen Luzerner Zirkus-Areal ein Lastwagen für eine gewisse Unruhe. Nachdem MaPalaj auf dessen Einfahrt noch neutral reagiert hatte, steigert sich ihre Aufmerksamkeit, als der LKW wieder abfahren will. Das Signal für MaPalaj, Rüssel schwenkend und behäbig aber zielgerichtet Richtung Fahrzeug zu schlendern. Auf dessen Höhe angekommen steigert sie ihr Tempo leicht und versucht, mit dem wegfahrenden „Eindringling“ Schritt zu halten. Als der LKW sich Meter um Meter absetzt und nur noch sein Heck zeigt, schnaubt die Elefantendame unüberhörbar und setzt dem Störenfried noch bis zum Absperrzaun nach. Dort angekommen bleibt ihr nichts anderes übrig als stehen zu bleiben. Doch sie lässt sich’s nicht nehmen, dem ungebetenen Gast noch einen demonstrativen Rüsselgruss nachzusenden. Wie vom eigenen Mut überrascht zieht sie es dann aber gleich vor, in ihrem typischen beschwingten Gang zügig zu den Kolleginnen ins Elefantenzelt zu verschwinden. Kann natürlich auch sein, dass sie Delhi und Ceylon schnellstmöglich von ihrer mutigen Tat erzählen will. Aber da können wir wie üblich nur mutmassen…

Aufregung hin oder her: An einem solch heissen Tag haben sich alle drei ein gemütliches Sandbad verdient. Dafür steht ein grossflächiger, wunderbar kühlender Sandhaufen zur Verfügung. Aus kurzer Distanz kann man mitverfolgen, wie diese riesigen Tiere sich sachte seitlich hinlegen. Die freie „Zurschaustellung“ der verletzlichen Bauchseite ist nicht zuletzt auch ein Zeichen dafür, dass die Elefanten sich wohl und vor allem sicher fühlen. Trotzdem: Wenn sich die eine hinlegt, steht meist eine der Kolleginnen dicht bei ihr, um aufzupassen. Dabei nutzen sie die Gelegenheit, um sich gegenseitig Hinterschenkel an Rücken oder Hinterteil an Hinterteil zu kratzen.

Zwischendurch können wir die Tiere auch in sitzender Position bestaunen. Ein sitzender Elefant sieht einfach drollig aus! Und wenn dieser Elefant MaPalaj heisst und einen mit ihrem sanften, leicht unsicheren Blick ankuckt… Jedenfalls fühlt sie sich richtig gut im Sandhaufen, in diesem Wellness-Paradies für Dickhäuter.