Oktober 2011: Zoo Rapperswil, Teil 1

Jeder Sommer ist irgendwann zu Ende: Ungewohnt kühl bei unter 10 Grad, starke Bise, dazwischen ungemütlich regnerisch und trotz Herbstferien eher wenig Besucher. Einer der wenigen Schlechtwetter-Zootage der Saison 2011. Kein Elefantenbad heute.

Und sonst? Alles beim Alten. Oder doch nicht? Ist das da ein wandelnder Strauch? Nein, es ist Sabu, die bei diesen garstig-herbstlichen Umständen mehr Essen als sonst in ein ruhiges Eckchen schleppt. Die dichtbeblätterten Aeste sind fast so lang wie Sabu selbst. Die unglaubliche Futtermenge lockt gar die eigentlich nicht futterneidige Sumatra an. Sabu sieht sich genötigt, ihr Gebüsch um einige Meter zu versetzen. Später macht sie sich auch an die knapp ausserhalb des Geheges stehenden Bäume ran und bemüht sich, an die untersten Aeste zu gelangen. Frischfutter? Frischer geht nicht!

Energie-Nachschub ist heute besonders wichtig. Der garstige Wind erlaubt sich sogar, den Elefanten das schwungvoll auf Kopf und Rücken geworfene Heu wegzublasen. Sonst als Sonnenschutz gedacht, könnte es heute ein kleines bisschen Wärme spenden. Könnte. Ja, heute ist man diesem unfreundlichen Wetter hilf- und schutzlos ausgeliefert. Auch ich schlottere schon leicht, als wir eine Frau antreffen, die wir vor einigen Wochen hier kennen gelernt haben. Der Schwatz lenkt uns etwas vom Wetter ab. Am Ende vermacht sie mir sogar ihre Handschuhe. Echtes Elefantenleder! ;-)

Plötzlich tut sich was: Beide offiziellen Fütterungen sind vorbei, trotzdem werden die Elefanten nochmals aufgereiht. Dazu wird der riesige Sonnenschirm aufgespannt, der als Regenschutz eine neue Funktion erhält. Der Zooleiter macht gerade eine Führung und das Elefantengehege ist als Nächstes dran. Nachdem die Elefanten auch das dritte „Leute-Anbetteln“ sichtlich genossen haben, überlässt man den vereinzelt anwesenden „normalen“ Besuchern den Futterrest. Nicht zum selbst essen, aber zum selbst füttern. Besten Dank!

Normalerweise beteiligen wir uns nur bei tiefen Besucherzahlen an der Fütterung. Sonst sollen diejenigen zum Zuge kommen, die nicht so oft da sind. Unser heutiger Einsatz (3mal!) hat scheinbar grossen Eindruck auf Sabu gemacht. Kurz vor unserer Heimkehr baut diese sich vor uns auf, grollt urtief, hebt ihren Rüssel und macht rechtsumkehrt. Ein persönliches Dankeschön oder Zufall? Eine lebhafte Phantasie hat jedenfalls noch nie geschadet…

Sobald die Elefanten im Frühling/Sommer 2013 ihr neues Heim bezogen haben, wird ihre jetzige Anlage von Pinguinen in Beschlag genommen. Da geht die Phantasie gleich wieder mit mir durch: Man stelle sich Elefanten und Pinguine im selben Gehege vor! Die armen Elefanten würden sich im Minutentakt erschrecken, und die armen Laufvögel müssten sehr flink sein, um nicht… nein, das geht jetzt aber zu weit!

Teil 2

Irgendwie ist es nur natürlich, dass sich nicht alle Elefanten gleich gut mögen. Auch in Rapperswil kann man immer etwa dieselben „Täterinnen“ beobachten, die entweder sich verspielt geben oder sich untereinander eng umrüsseln, oder die gewissen Kolleginnen gerne einen zünftigen Kopfstoss versetzen oder diese gar mit ihrer ganzen Körpermasse wegdrücken. Ganz selten aber sieht man die Riesen sich so „streiten“, dass einem gleich unwohl dabei wird.

An einem der letzten Zoo-Tage 2011 gibt’s genau ein solches andauerndes Gedränge zwischen „Rambo“ Sabu und der etwas altersschwachen Leitkuh Patma. Ein ununterbrochenes, sich innert mehrerer Minuten langsam steigerndes Drücken, Schieben, Stossen, oft auch als Rückwärts-Manöver, bis… ja bis alles immer heftiger wird. Glücklicherweise spielen die massive Aussenmauer, ein liegender Baumstamm und vor allem der Graben nur eine Nebenrolle. Nicht auszudenken, wenn ein 4tönner unkontrolliert hinfallen oder, noch übler, seitwärts in die Tiefe fallen würde! Jedenfalls „tätscht“ es zünftig, nicht nur einmal, und die um die Ecke auf dem Reit-Areal beschäftigten Wärter werden rechtzeitig auf die Szene aufmerksam. Ich sage nur: Eindrücklich, was wir beobachten konnten. Aber bitte nicht wiederholen, Sabu! Im Zoo ist Entspannung angesagt, nicht ein zusätzlicher Schreck in den Knochen. Zeig Deine unbändige Kraft beim Wasserplantschen!

Apropos plantschen: Wenn die Tage kälter werden, wird nur noch die gut gepolsterte Sabu zu Bade geladen. Weit und breit der einzige Elefant im Wasser, steigert sie sich meistens in einen wahren Baderausch. Das herbstlich-kühl-kalte Wasser scheint dieses Hochgefühl noch zu steigern. Vielleicht ist das da ja Champagner, der wie feiner Schaum auf der Wasseroberfläche wogt? Naja, der Schaum stammt wohl eher vom „kleinen“ (und doch so grossen) Elefantengeschäft, welches die Damen manchmal am Pool-Ufer verrichten…

„Baderausch“? Also wird Sabu vom Wasser stets magnetisch angezogen? Nicht ganz. Die Pfleger haben’s nicht immer einfach mit der eigenwilligen Dame. Doch man kennt ja seine Pappenheimer. Es kann auch mal sein, dass der Wasserschlauch zu Hilfe genommen werden muss. Zwar wird Sabu heute am Hintern, auf dem Rücken und an den Flanken nass, doch alle Bemühungen sind diesmal vergeblich. Trotzig flieht sie in die gegenüberliegende Gehege-Ecke und wartet dort erst mal leicht erstarrt ab. Am liebsten würde das Schlitzohr ihren Kopf wie ein Straussenvogel in den Boden stecken. „Wie man NICHT gesehen wird“, sozusagen. Natürlich funktioniert das bekannterweise nicht, und schon gar nicht beim grössten Landlebewesen. So wird die „arme“ Sabu bald wieder Richtung Wasser befohlen, und es bleibt ihr nichts anderes übrig, als dem Befehl Folge zu leisten.

Wenn man sie so ausgelassen baden sieht, würde man doch nicht vermuten, dass sie sich zuvor dieser Freude wie auch ihrem Chef verweigert hat? Jedenfalls überbringt sie uns ihren kleinen Frust über den verlorenen Machtkampf gleich mehrfach. Zuerst spediert sie „etwas“ Wasser genau an meines Mannes Kopf, etwas später werden meine Hosen voll getroffen. Natürlich ist so was im Sommer angenehmer, aber es ist bei 10 Grad schon noch auszuhalten, danke… Da sie nicht beim Reiten mithelfen muss, darf sie so lange im Wasser bleiben, wie sie will, und das nützt sie aus. Am Tag zuvor habe sie sich - verlässlichen Quellen zufolge ;-) - fast vier Stunden im Badebereich aufgehalten, die Unersättliche!

Baden und Essen löst sich meistens nahtlos ab. Eine Quizfrage: Was steht in Rapperswil und hat gleichzeitig Heu im Maul, gerollt im Rüssel UND auf dem Rücken? Na? Es ist… Sabu, die Gefrässige! Ein riesiger Heuhaufen thront oben auf ihr. Bunkert sie diesen als Sonnenschutz? Oder zum späteren Verzehr? Sumatra schleicht sich von hinten an und stiehlt Sabu sämtliches Heu runter. Die scheint nichts zu merken und frisst gemütlich weiter. Bei diesen paradiesischen Futter-Zuständen ist ein solch unbedeutender Verlust eben gut zu verschmerzen.

Und bald ist eine ganze Saison schon wieder vorbei. Unser letzter Besuch 2011 in Rapperswil, am allerletzten Zoo-Tag. Sumatra stretcht, Sabu geniesst und alle fünf werden kulinarisch verwöhnt. Doch eins nach dem anderen. Klar, alte Knochen müssen manchmal speziell trainiert werden. Doch was Sumatra heute vorführt, wirkt auf den ersten Blick etwas bizarr: Die Vorderbeine stehen normal, also gerade, doch die Hinterbeine winkeln sich 45 Grad nach vorne ab. So schwebt der Hintern seltsam nach hinten gestreckt in der Luft, aber ohne dass sie sich wirklich hinsetzen würde. Fast bewegungslos und wie ein Kunstobjekt verharrt sie eine Zeitlang. Desweilen steht Patma wie eine Assistentin neben Sumatra, genau im Mittelkreis der Reit-Arena, und schaut uns aus ihren überklug wirkenden allerliebsten Guckern an. Also, Patma, tut uns Leid, wir haben wirklich keine Ahnung, was dieses Pantomimentheater wirklich soll…

Zur immer viel Aufmerksamkeit erregenden Sabu ist nur noch zu sagen, dass sie auch das letzte Bad nutzt, um den faszinierten Zusehern eine richtige Ein-Mann… Ein-Elefanten-Show zu zeigen. Und sie zieht wirklich nochmals alle Register ihres Könnens. Vor der allerletzten Publikums-Fütterung ist wieder mal die nette ältere Frau aus der Region Basel an der Reihe. Diesmal hat sie Bananenblätter mitgebracht. Nur Sumatra mag die Blätter scheinbar nicht. Dafür erhält sie etwas mehr vom Dessert, für elefantöse Verhältnisse winzigkleine und doch ganz besondere Leckereien. Ein fünffacher Elefantengruss – Rüssel und Fuss hoch – beendet die rührige Vorstellung und unser Rapperswiler Elefantenjahr. Bleibt alle gesund, auch die Elefanten!